Wer ist P. Franziskus Jordan? Wer und wie war der Mensch hinter dem (Vor-)Bild, das wir alle vom Gründer der Salvatorianischen Gemeinschaften haben? Text: P. Josef Wilfing (#Franziskus Jordan #WirSindSelig15Mai21)

Als ich mit 13 ins Internat der Salvatorianer kam, wurden wir bei einer der ersten sonntäglichen Konferenzen mit dem Gründer der Salvatorianer bekannt gemacht. Ich legte ein Heft mit blassgrünem Umschlag an, klebte das braunstichige Foto dieses Mannes ein und machte mir ein paar Notizen. Dieses Heft blieb so bis zu meinem Abgang acht Jahre später. Ein Gemälde, das so bestimmend an der Rückwand des Speisesaales hing, wurde mir vertraut, aber die Person selbst blieb mir unbestimmt.

 

Das Noviziat eröffnete neue Möglichkeiten. Hier standen einige Bücher zur Verfügung. Außerdem profitierten wir davon, dass einige unserer Mitbrüder sich intensiv den Studien zum Leben des Gründers widmeten. Das Erstkommunionerlebnis mit der Taube, die er um seinen Kopf flattern sah, blieb mir in Erinnerung. Dagegen machte es wenig Eindruck, dass er ab dann seinem Leben eine andere Richtung gab. Der junge Johann Baptist nahm weiterhin alle Verantwortung gegenüber seiner Familie wahr, zog sich aber häufig mit Büchern spirituellen Inhalts zurück. Was wir mit unseren mehr als 20 Jahren noch nicht verstanden hatten, hatte dieser junge Mann von vielleicht 13 oder 14 schon begriffen: Es geht ums Ganze.

 

Unscheinbarer Gründer?

Sein Tagebuch schien mir damals eine Art Geheimlektüre für Auserwählte. Trotz aller Bemühungen der Fachleute und des Novizenmeisters schaffte es P. Jordan kaum, ein Vorbild für uns zu werden. Hatten wir uns denn nicht ein wenig für unseren unscheinbaren Gründer geniert? Er war kein großer Heiliger wie Benedikt, der mit seiner Regel das Ordensleben für Jahrhunderte prägte. Er war kein fröhlicher Asket wie Franziskus, der die Jugend begeistern konnte. Schon gar nicht war er ein Organisator wie Ignatius, der die Struktur einer Gemeinschaft sowie eines geistlichen Weges formte. Er war auch keiner, der die Jugend so faszinierte wie Don Bosco. War uns dieser Mann nicht irgendwie weltfremd, linkisch und scheu vorgekommen?

 

Wohl lernten wir von seinem Gottvertrauen und dass er ein großer Beter gewesen war. Aber wie macht man Gottvertrauen, wenn man in den Augen der Menschen vernünftig bleiben will? Und wie kann man drei oder gar sieben Stunden beten? Als wir Theologie studierten, wollten wir alle „ganz normal“ sein. Das Heiligsein hatte den Beigeschmack von etwas Schiefem, Weltfremdem. Das war so unnatürlich. Wir waren vielleicht von Menschen, die als heilig galten, abgeschreckt. Wir versuchten so „normal“ zu sein, dass es manch Anderen schon unangenehm war.

 

Es ging diesem jungen Johann Baptist Jordan immer ums Ganze. Er nützte Ferien, um für den Glauben zu werben, indem er Zeitschriften verbreitete und sich durch Sprachstudien auf die Mission in fernen Ländern vorbereitete. Anscheinend achtete er wenig darauf, ob er genug zum Leben hätte. War er also weltfremd, weil er nicht rechnete, oder war er doch gottnah, weil er vertraute? Urlaub und Erholung fand man nicht in seinem Wörterbuch. Ich merkte mit ein wenig Beschämung in meinem Leben den Mangel an missionarischem Geist, der diesen Mann so auszeichnete.

 

Mich beeindruckte auch sein konsequenter Weg zur Gründung der Gemeinschaft, die ihm schon lange vorschwebte. Mich beeindruckte, wie dieser unbedeutende Mann Menschen überzeugen und begeistern konnte. „Dort im Gebet sollt ihr das Feuer holen“, hatte er geschrieben. Das war gewiss die Quelle, die ihm die Kraft für diesen Weg gab. Dieser Satz sollte später alle begrüßen, die die Hauskapelle unseres Kollegs in Gurk betraten. Sein Alltag, so sollten wir lernen, war vom Gebet durchwoben. Von allem Abstand nehmen und in den Zeiten des Aufatmens den Geist frei werden lassen und die Gedanken klären. Da könnte ich in die Schule gehen, dachte ich mir des öfteren.

 

Sein Tagebuch ist Selbstgespräch und Dialog mit Gott in einem. Keine Schwierigkeiten waren zu groß, keine Enttäuschungen zu tief, keine Erfolge zu wunderbar, dass er nicht in allem sein Leben an Gott zurückgebunden hätte. Die Verbindung zu Gott war sein fester Grund. Da zählt man nicht mehr die Stunden. Waren es drei oder sieben? Das Tagebuch beeindruckt mich noch immer, und ich weiß, dass es für nicht wenige eine tröstende Lektüre geworden ist.

 

Im Schatten des Kreuzes

Sein Ordensname „Franziskus Maria vom Kreuze“ steht quer zu einer Generation von Ordensleuten, die das gute Leben als normal entdeckt hatten. Wir hatten uns von der Leidensmystik verabschiedet. Zu einer Freudensmystik schafften wir es nie. Spätestens wenn das Wohlleben und der Erfolg aufhören, beginnt die Treue. „Die Werke Gottes gedeihen nur im Schatten des Kreuzes“, sollte er in seinem Tagebuch notieren. Aber wenn wir die Bilder anschauen, können wir da nicht ein sanftes Lächeln in seinem Gesicht erkennen? So erscheint mir sein Leben unter dem Kreuz von Freude durchwoben, wovon auch sein Tagebuch immer wieder Zeugnis gibt.

 

In jüngere Hände legen

Wie oft habe ich Abschied genommen in meinem Leben? An den Orten, an denen ich gewirkt habe, bin ich heute Gast oder viel öfter noch Fremder. Als die Kräfte des Gründers aufgebraucht und seine Nerven dünn waren, da wurde er in der herausfordernden Zeit des Ersten Weltkrieges sanft hingeführt: „Lassen Sie los, Ehrwürdiger Vater!“ Da setzte er den letzten und größten Schritt des Vertrauens in Gott, als er sein Lebenswerk noch zu Lebzeiten in jüngere Hände legte. „Werden sie meiner Sendung treu bleiben?“, werden seine Gedanken gewesen sein. Auch für jeden von uns wird gelten: Loslassen und die Werke in jüngere Hände legen, die wir nicht kennen.

 

Heilig werden war schon Ziel des jungen Johann Baptist, dann auch des Ordensmannes Franziskus Maria vom Kreuze. P. Edwin sagte einst bei einer unserer Versammlungen: „Hochgestochen ausgedrückt sind wir ein mittelmäßiger Haufen.“ Ich teile diese Meinung nicht ganz. Aber ich wünsche mir, dass Anteile der Glaubenskraft unseres Ehrwürdigen Vaters, seiner Treue zur Sendung und der Tiefe seiner Beziehung zu Gott auch mein (unser?) Leben immer mehr durchdringen.