Rechtzeitig zur Seligsprechung am 15. Mai 2021 in Rom erscheint Ende April ein neues Buch über P. Franziskus Jordan, dem Gründer der salvatorianischen Gemeinschaften. Das „Lebensbild“ des österreichischen Autors Martin Kolozs blickt hinter das Bild des Ordensmannes und setzt sich mit dem als Johann Baptist Jordan geborenen Menschen auseinander.
Sie nennen Ihr neues Buch über Ordensgründer P. Franziskus Jordan ein „Lebensbild“. Wodurch unterscheidet es sich von einer Biografie?
Martin Kolozs: Ursprünglich war geplant, eine kritische Edition über P. Jordan herauszubringen, die natürlich sehr viel stärker ins Detail gehen wird. Sie wird auch irgendwann erscheinen. Jetzt ist es einmal meine Aufgabe, P. Jordan anlässlich seiner Seligsprechung am 15. Mai 2021 in seinem gesamten Leben dazustellen, sozusagen einen Gesamtblick zu präsentieren. Deshalb bezeichne ich das Buch als Lebensbild. Die Historie wird in gröberen Strichen gezeichnet sein und sich nicht im Detail verlieren, denn diese Gefahr ist gegeben bei so einem vielfältigen und wirkungsstarken Leben. Es geht darum, in groben Strichen Jordans gesamtes Leben nachvollziehbar zu machen, um einerseits für die Leute, die ihn kennen, seien es Ordensleute oder Laien, dieses Leben noch einmal aufleuchten zu lassen, und ihn andererseits auch anderen Leuten so nahezubringen, dass sie sein Wirken nachvollziehen können. Das Buch erhebt den Anspruch, die Vision von P. Jordan so darzustellen, dass jeder, der ihn nicht kennt doch kennenlernen möchte, nachvollziehen kann, was zu seiner Seligsprechung geführt hat. Es ist nicht nur das Wunder gemeint, das er gewirkt hat, sondern was ihn als Vorbild, auch für unsere Zeit, so interessant macht.
Das Buch folgt aber den biografischen Stationen?
Martin Kolozs: Selbstverständlich. Es wird auch eine Zeittafel geben im Anhang, die auch die historischen Umwälzungen in seinem Leben darstellt wie zum Beispiel das I. Vatikanische Konzil, der Kulturkampf in Deutschland oder der I. Weltkrieg. Es ist, was sein Lebensumfeld betrifft, Etliches passiert. Das kann man nicht ausblenden. Aber ich erkläre nicht alles im Detail, weil das dann sehr viel wissenschaftlicher ist. Meine Idee und meine Aufgabe sind, eben nicht nur ein historisches Faktum darzustellen, sondern einen Menschen zu zeigen. Zu zeigen, was war seine Wirkung auf andere. Was war seine Wirkung auch auf unsere Zeit. Die Frage ist auch berechtigt: Was sagt uns ein Mensch; der eigentlich ein Mensch des 19. Jahrhunderts war, der kurz nach dem Ersten Weltkrieg verstorben ist, der seit mehr als 100 Jahren tot ist, heute? Was kann uns ein Mensch, der heute seliggesprochen wird, sagen? Das ist ja nicht nur ein ordenshistorischer Schlusspunkt. Ich frage, wofür wird er seliggesprochen, was bedeutet das als gläubiger Mensch.
P. Jordan ist für Sie ein Mensch der Moderne?
Martin Kolozs: Absolut. Er war sicherlich ein Kind seiner Zeit, keine Frage. Doch es trifft in seinem Leben auch zu, dass die Fragen, die damals gestellt wurden, den unsrigen sehr ähnlich sind. Und dass seine Seligsprechung jetzt eine Antwort oder ein Vorbild schafft für unsere Zeit. Seine Zeit, so kommt mir vor, ist unserer Zeit sehr ähnlich. Die Herausforderungen, die sogenannte Säkularisierung der Gesellschaft, die ich jetzt gar nicht negativ reden will, hat Folgen für Kirche und Glaube und braucht auch entsprechende Antworten.
Welche Antworten sind das?
Martin Kolozs: Man kann sich nicht als Gläubiger einfach ins Schneckenhaus zurückziehen und sagen, draußen ist die fürchterliche Welt; man muss dieser Welt auch begegnen und Antworten geben. Und die Antworten, die Jordan vor rund 130 Jahren gegeben hat, die haben durchaus auch in der heutigen Zeit Aktualität und sind durchaus auch annehmbar bzw. auch völlig zutreffend. Und das macht ihn so interessant. Er ist auch einer der Seligen, oder besser, einer der Vorbilder, die man auch heute als Vorbilder sehen kann. Was er vorgeschlagen hat, sind Antworten, die auch für das 21. Jahrhundert tragbar sind. Jordan ist sicherlich ein viel gegenwärtigerer Heiliger als viele andere. Was die Laienbewegung betrifft, die Art und Weise, wie man Leute wieder bildet, damit sie verstehen, wovon sie sprechen, dass man sie einschließt, das ist ein sehr inklusives Denken. Auch, dass man die Hierarchien eher flach hält, das ist eigentlich ein Denken, auch ein kirchliches Denken, das uns im heutigen sehr entgegenkommt und oft deckungsgleich ist. Daher ist P. Jordan sicherlich ein Mensch und ein Vorbild für das 21. Jahrhundert. Dahin soll sich das Buch entwickeln. Jordan ist schon sehr visionär unterwegs gewesen. Das möchte ich nachzeichnen, natürlich am Leben entlang.
Ist P. Jordan ein Seliger?
Martin Kolozs: P. Jordan ist kein Seliger, der auf den ersten Blick hin diesem Seligen- oder Heiligentypus repräsentiert. Für mich ist P. Jordan ein sehr kerniger Mensch. Er ist kein leichter Charakter gewesen; er hat sicherlich mit sich selbst gekämpft. Er hat sicherlich die größte Kritik immer an sich selbst herangetragen, und er hat sich auch immer selbst ermahnt. Jordan ist ein Körpertyp, ein Denker, ein Kämpfer, der teilweise in seinem Leben mit dem Kopf durch die Wand wollte, der auch mit Widerständen zu kämpfen hatte, der auch Fehler gemacht hat. Selig sein bedeutet nicht nur, Gutes zu tun. Es heißt auch, einer Berufung nachzugehen und sich selbst dabei nicht zu verleugnen. Dieses Wort des Drangs, das bei ihm immer vorkommt. Er muss es tun, er dreht an diesem Motor, dieses Fordernde in ihm. Dem geht er nach, und das sucht er auch. Jordan ist für mich ein wunderbares Beispiel für das, was Papst Franziskus die „Heiligen der Nachbarschaft“ nennt. Oder in unserem Fall der Selige der Nachbarschaft. Er ist nicht der Welt entrückt, auch wenn man seinen Werdegang anschaut. Er war Tagelöhner, er war arm, er ist sehr spät eigentlich zum Priester geweiht worden, er hat mit vielen Widerständen kämpfen müssen. Und er war charakterlich auch schwierig. Ein wunderbares Wort, das ich in meinem Buch verwende, sagt, es ist sicherlich einfacher, über einen Heiligen zu schreiben als mit einem Heiligen zu leben.
Ich bin überzeugt davon, heilig oder selig sein ist nichts, wofür man sich selbst entscheidet. Das ist wie ein Talent: Das hat man oder hat man nicht. Und wenn man dieses Talent hat, dann ist das so wie bei allen anderen Talenten: Man muss erst erlernen, wie man damit umgeht. Jordan hat sich und seinem Umfeld abgekämpft. Bis zum Lebensende. Aber das macht ihn für mich so sympathisch. Und die Art und Weise, wie er geantwortet hat, und die Art und Weise, wie er zu diesen Antworten kam, lässt niemanden kalt.
Das Gespräch mit Martin Kolozs führte Robert Sonnleitner