Gedanken zur Seligsprechung von P. Franziskus Jordan am 15. Mai 2021 von P. Karl Meier (Schweiz).

Unseren seligen Gründer P. Franziskus Jordan, mit dem Thema ‚Heimat’ in Verbindung zu bringen, ist kaum möglich; zu eindringlich sind etwa seine Worte über die Universalität der von ihm gegründeten Ordensgesellschaft. Sie gehört wesentlich zum Geist der Gesellschaft. Er sagte:


„Die Gesellschaft ist nicht beschränkt bezüglich des Ortes noch auch der Volksklassen.“ (W.u. E. Die Universalität der Gesellschaft S. 183 ff) –

„Das Gegenteil von diesem Geiste der Gesellschaft ist die Beschränkung, die Parteilichkeit, die Nationalität, und wie man es immer nennen mag; dass einer diese oder jene Nation vorzieht oder mit Geringschätzung herabschaut auf gewisse Völker.“ –

„Also unter uns, als Mitglieder der Gesellschaft, soll es keine Nation geben! Alle Brüder!‘ –

Man kann sich fragen, woher P. Jordan diesen weltweiten Blick, dieses universelle Denken erhalten hat. Wie kommt es, dass sein Denken so global geworden ist? (Er hatte immer einen Globus auf seinem Pult.) Er stammte ja aus dem kleinen Bauerndorf Gurtweil, nahe der Schweizer Grenze, einem Dorf, das zu seiner Zeit nicht mit vielen Menschen anderer Länder in Berührung kam. Seine Eltern waren arm, so dass sie ihren Lebtag lang nicht oft das Dorf verlassen konnten. Wie kommt es, dass seine beliebtesten Worte ‚semper et ubique’ – ‚immer und überall’, werden konnten? Ist es, weil er sich mit einem außergewöhnlichen Sprachentalent auszeichnen konnte? Mit seinen zahlreichen Sprachen, die er beherrschte, konnte er wirklich weltoffen sein. Als Universitätsstudent lernte er nebst europäischen Sprachen auch die verschiedensten Sprachen des Orients, selbst chinesisch. Aber warum all diese Sprachen? Einfach, um einmal die Welt zu bereisen, um einmal in irgendeiner internationalen Firma sein Geld besser verdienen zu können?

Seine Biographie verrät es uns: Er war schon als Student von einem tiefen, weltweiten apostolischen Geist erfüllt. Diesen Geist schöpfte er aus der Betrachtung der Hl. Schrift. Nie hat er mit seinen Sprachkenntnissen aufgetrumpft. Die orientalischen Sprachen brauchte er vor allem zum Studium der Hl. Schrift, oder um sein Werk, eine apostolische universale Gesellschaft zu gründen, besser verwirklichen zu können. Schon in jungen Seminarjahren ist diese Idee in ihm vorhanden gewesen.

Dass ihm das Schriftstudium wichtig war, zeigt sich etwa, dass er im Gymnasium in Konstanz auf der 6. Stufe das Englisch zugunsten des Hebräisch fallen ließ
Mit tiefer Andacht hat P. Jordan die Hl. Schrift immer betrachtet. ln seinem Geistlichen Tagebuch etwa notiert er sich: „ Studiere mit sehr viel Hingabe die Heilige Schrift“ (GT 150,3) –

„Die Hl. Schrift lese stets mit großer Ehrfurcht, kniend, wenigstens wenn du allein bist.“
Je mehr sich P. Jordan in den universalen Heilswillen Gottes vertieft hatte, je mehr er die weltweite Erlöserliebe des Heilandes entdeckt hatte, desto mehr lösten sich in ihm politische Heimatgrenzen auf. „Allen und überall“ soll die Botschaft Gottes verkündet werden. „Alle“ sollen IHN erkennen: Jesus Christus. „Allen alles werden.“ – „Alle, alle, alle!“, das alles sind Notizen in seinem Tagebuch.


Schon als junger Student war P. Jordan von der Gedankenwelt der Hl. Schrift erfüllt. Seine Heimat war nicht die irdische, sondern die himmlische. Schon der Student Jordan entdeckte Jesus Christus als ‚Heiland der Welt’, wie eine andere Notiz im Tagebuch zeigt. Seine religiöses ‚Heimweh’ drückte er in der Sprache seiner Zeit aus: „Was machst du, o Mensch, die Heimat in der Fremde! Was suchst du, Menschen zu gefallen, bei denen du nicht bleiben darfst! Richte doch hinauf deine Blicke, wo dir die ewigen Freunde die himmlische Heimat stets zeigen. Suche dem zu gefallen, bei dem du ewig bleiben darfst.“ (GT I/2 – 02.07.1875) Etwas später notierte er: „Die Welt soll nie dir Ruhe gewähren, o Mensch, zum hl. Zeugnis wider dich, da sie nicht deine Heimat ist.“ (GT I/3)

Und in der Tat, die Welt hat ihn nie in Ruhe gelassen. Unermüdlich ging er vorwärts, durch unzählige Fragen und Probleme hindurch, um eine apostolische, weltweite Gesellschaft zu gründen. Vor keiner Grenze hielt er an. Nirgends richtete er sich fest ein. Die Heimat ist der Himmel und dass alle Menschen dieses Ziel erreichen, war sein innigster Wunsch.
Geographisch und politisch gesehen ist P. Jordan schon jung heimatlos geworden. Immer mehr ist er zum ‚Weltbürger’ geworden aus zutiefst apostolischer Gesinnung. Weltweit wie die Kirche war sein Denken. Grenzen-los war sein seelsorgliches Empfinden! Grenzen-los sein Gottvertrauen! Grenzen-los seine Hingabe!

„Thabor – Kalvarienberg“, so lautet der vorletzte Eintrag in sein Geistliches Tagebuch. (GT IV/39) In der Spannung dieser beiden Pole hat er gelebt; dies war seine geistige Heimat.

„Geh, zieh weg “ (Gen 12.1) ist das erste Wort das Jahwe zu einem Menschen gesprochen hat. „Geht zu allen Völkern und verkündet das Evangelium“, so hat Jesus den Aposteln den Auftrag gegeben. Gott lässt also dem Menschen keine Ruhe, er schickt ihn weg. Seine Heimat soll eine andere sein. Aber entscheidend: Abraham hat die Verheißung bekommen, dass Jahwe bei ihm sein wird. Und Jesus hat alle, bevor er sie ausgesandt hat, zu sich gerufen. (Mk 6,7) Sie sind von IHM aus weggegangen! Das Mit-IHM-Sein während der ganzen Sendung war dann entscheidend.

So denke ich: nicht der Generalobere schickt uns weg, nicht die Not des Ordensnachwuchses schickt uns weg, sondern wir glauben den Auftrag zum Aufbruch von IHM erhalten zu haben. Nur in dem Sinn werden wir nicht verbittert aufbrechen. Die Sendung geht einfach weiter, auch mit 91 oder 77 Jahren!
Seliger Pater Franziskus, bitte für uns!

P. Karl Meier, SDS