Sr. Brigitte Thalhammer, Generalökonomin der Salvatorianerinnen in Rom, schreibt in der Ausgabe 1/21 der „LebensZeichen“, der Zeitschrift der Salvatorianerinnen in Österreich, über P. Franziskus Jordan.

Selig. Dieses Wort gehört nicht so recht zu unserem Alltagswortschatz. Laut online-Duden
wird es in der digitalen Welt am häufigsten im Zusammenhang mit „lächeln“ verwendet oder
im Hinblick auf Verstorbene. Als gelernte Österreicherin fällt mir natürlich sofort die „Insel
der Seligen“ ein. Eine Bezeichnung für Österreich, die auf den ehemaligen Bundeskanzler
Bruno Kreisky (1911 – 1990) zurückgehen soll.

Was hat denn diese „Insel der Seligen“ ausgemacht? Ich denke, es war das Bewusstsein
und die Erfahrung, in einem landschaftlich wunderschönen Land zu leben, im großen und
ganzen sozialen Frieden und einen gewissen Wohlstand zu genießen und auch einem Aufstiegsversprechen trauen zu können. Manche träumen vielleicht auch heute noch diesen
verklärten Bildern nach und wünschen sich jene „Seligkeit“ nostalgisch zurück.

Aber war es denn wirklich so „selig“? Wurden da nicht Erfahrungen von vielen Menschen ausgeblendet? Darüber hinaus: weder ein einzelner Mensch und schon gar nicht ein ganzes Land kann einfach für sich selber eine abgeschottete Insel sein. Das klingt für mich nach „schaler“ Seligkeit, einem oberflächlichen Glück.

Als christlich sozialisierte Frau fallen mir als nächstes Stichwort die biblischen Seligpreisungen ein. Die beiden Evangelisten Lukas und Matthäus haben diese Worte Jesu in ihr Evangelium auf etwas unterschiedliche Art und Weise aufgenommen. Bekannter ist die Version des Matthäus als Auftakt zur vielzitierten sogenannten Bergpredigt Jesu. Die acht kurzen Sätze beginnen jeweils mit dem Wort „selig“ – manche übersetzen diesen Satzbeginn auch mit „wohl denen“ oder „glücklich, die“. Beide Begriffe umfassen allerdings nicht ganz, was das Wort selig ausdrücken möchte.

Zugleich scheint vordergründig keiner dieser Begriffe passend, vor allem, wenn man auf die
ersten beiden Sätze schaut. Jesus spricht die Armen und die Trauernden an! Das klingt nun
so gar nicht nach der „Insel der Seligen“ oder einem Grund, sich glücklich zu schätzen! Andere Zusagen wenden sich an jene, die mit dem aktuellen Zustand der Welt so ganz und gar nicht zufrieden sind: an jene, die sich nach Gerechtigkeit sehnen und an jene, die sich gewaltfrei für Veränderung in dieser Welt einsetzen und Frieden stiften, an jene, die anderen, und wohl auch sich selbst, barmherzig begegnen und an jene, die ein reines Herz haben. Und er spricht jenen Mut zu, die um seinetwillen verfolgt und beschimpft werden.

Ist das nicht doch alles eine billige Vertröstung? Irgendwann in ungewisser Zukunft wird es
dann mal besser sein. Vertröstung oder doch ein tiefer Trost?

Es wird niemanden überraschen, dass ich für letzteres plädiere. Denn diese Verheißungen
erfüllen sich nicht „irgendwann“, sondern immer wieder im Hier und Jetzt. Die Worte Jesu
machen Mut, sich auf die eigene Armut einzulassen. Ich muss mich nicht krampfhaft größer oder besser machen, muss mich nicht darstellen und eine Fassade aufbauen. Ich bin von Gott
geliebt, wie ich bin – darf mich einfach lieben lassen und so dem Reich Gottes Raum geben – in mir und um mich herum. Ich muss mich nicht herumdrücken, um das, was mir wehtut, mich schmerzt, ohnmächtig sein lässt. Ich kann Gott all meine Trauer und meine Tränen bringen und erfahren, ich falle nicht ins Nichts. Mir kommt ein Trost – oder vielleicht besser: ein Tröster entgegen, der mich hält. Das ist heilsam.

Und es ist nicht dumme Naivität, „Gutmensch“ zu sein! Namen von Diktatoren und  Menschenverachtern stehen in den Geschichtsbüchern und weisen auf mögliche Abgründe
menschlicher Existenz hin. Aber was wäre die Welt, ohne all jene Männer und Frauen, jene Gutmenschen, die sich von den Seligpreisungen inspirieren ließen und uns so ein Vorbild
menschlicher Größe gegeben haben. Sie haben eine Geschichte der Hoffnung geschrieben.
Mutgeschichten, die noch heute die Welt zum positiven wenden. Es sind Menschen, die „die
Erde in den Himmel“ holen oder den Himmel erden. Jesus spricht vom „Himmelreich“ hier
mitten unter uns und meint jene Wirklichkeit, in der wir wahrhaft in Beziehung sind: zu Gott,
zu den Menschen, zur Umwelt, zu uns selbst.

In der katholischen Kirche hat sich eine Tradition entwickelt, um an Mutmacherinnen und
Hoffnungszeugen zu erinnern. Sie spricht von Heiligen und Seligen. Ich muss gestehen, dass ich manches in dieser Tradition kritisch sehe: z.B.: das Wunderverständnis, das Seligsprechungen zugrunde liegt. Auch sollen über die „anerkannten“ Seligen, die kleinen, verborgenen Heiligen nicht vergessen werden.

Zugleich freue ich mich, dass die Kirche unseren Gründer Pater Franziskus Maria vom Kreuze Jordan nun auch offiziell zu den Seligen zählt.1 Und ja – er war es schon zu seinen Lebzeiten. Er ist ein Zeuge dafür, was Gott aus den „Bruchstücken unseres Lebens machen kann, wenn
wir sie ihm ganz überlassen.“2 Pater Jordan hat sich auf das Wort Jesu eingelassen und aus dem Glauben gelebt, dass sich erfüllen wird, was Gott ihm verheißen hat. In all den  Schwierigkeiten und Nöten hat er immer wieder tiefen Trost gefunden und wurde so zum Tröster für andere. Er ist ein Seliger: ein Mensch, der Himmel und Erde verbindet – zu Lebzeiten – und über den Tod hinaus. Möge er uns immer wieder Mut machen, hinzuhören und aus dem Geist der Seligpreisungen zu leben.

Die LebensZeichen 1/21 als PDF zum Download

1; Feier der Seligsprechung am 15. Mai 2021 in Rom:
2; Nach Blaise Pascal.

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